Die Radierungen des Künstler-Clubs Sankt Lucas
Zwischen 1892 und 1900 trat der Sankt Lucas-Club mit vier Sammelmappen, von den Künstlern selbst als „Hefte“ betitelt, an die Öffentlichkeit. Die Mappen enthielten jeweils zehn, bzw. die vierte Mappe elf Radierungen, die von den Clubmitgliedern sehr individuell gestaltet waren; denn die Grafiken unterscheiden sich nicht nur in den Maßen, sondern auch in der Technik und der Auswahl der Motive. Neben Blättern mit Genre- und Historiendarstellungen gibt es Seestücke, Stadtansichten und Flachlandschaften.
Es ist nicht bekannt, wie hoch die Auflage der einzelnen Mappen war. Jedoch ließ der Einsatz von Aquatintaradierung und Kaltnadelstich nur eine begrenzte Auflagenhöhe zu, da die satte, dunkel-samtige Qualität der Kaltnadel bereits nach etwa 30 Abzügen deutlich abnimmt. So verwundert es nicht, dass die vier Mappen nur in wenigen öffentlichen Sammlungen zu finden sind. Das Museum Kunstpalast in Düsseldorf besitzt alle. Wir haben sie für unser Projekt fotografieren lassen und in einem Blätterbuch reproduziert.
Im Archiv des Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten befinden sich die Mappen 3 und 4. Diese Blätter werden während der Laufzeit der Ausstellung als Leihgaben jeweils im Wechsel von drei Monaten gezeigt.
Auf dem Blatt schilderte Eugen Kampf eines der typischen belgischen Bauerndörfer, die er während seiner Studienzeit in Antwerpen kennengelernt hatte. Aus dem Fundus dieser Eindrücke schöpfte er noch Jahre später. Im Vordergrund des Bildes zeigt Kampf vier Bauern bei der Kartoffelernte. Dominierend in der Komposition sind die hohen, windgebeugten Bäume, die das Bauernhaus weit überragen. Bleiben die bäuerlichen Motive die gleichen, so hat sich Eugen Kampfs Radierstil um 1900 deutlich verändert: Die Zeichnung ist nun wesentlich unruhiger und kleinteiliger geworden, und die Kontraste zwischen hellen und dunklen Partien sind stärker ausgeprägt.
Leihgeber:Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
Sein zweites Blatt in der vierten Mappe des Sankt Lucas-Clubs hat Eugen Kampf mit „Niederrhein“ betitelt. Es könnte sich jedoch genauso um eine Gegend in den Niederlanden handeln; denn die Arbeiten des Künstlers sind keine naturgetreuen Porträts ganz bestimmter Orte. Vielmehr hat er seine Motive aus einzelnen Landschaftsausschnitten und Dorfansichten sehr bewusst zu Ideallandschaften komponiert. Vielleicht wirken seine Werke gerade deswegen so typisch. Die originale Kupferplatte zu dieser Radierung ist in einer der Vitrinen im 2. Obergeschoss ausgestellt.
Leihgeber:Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
Schon seit Ende der 1880er-Jahre hatte Jernberg die Sommermonate häufig an der holländischen Küste verbracht. In der Folge entstanden unter Einfluss der Künstler der Hager Schule und Max Liebermanns Studien von Landschaftsansichten mit kleinen Staffagefiguren. So zeigt auch die in einem braunen Ton gedruckte Radierung „In den Dünen“ eine weite Küstengegend mit tiefem Horizont. Über den Himmel ziehen bedrohlich wirkende Gewitterwolken. Im Gegenlicht der tief stehenden Sonne sieht man die Silhouette eines Bauern, der durch die Heide reitet, gefolgt von einem weiteren Pferd. Die groben Schraffuren sorgen für eine große Dynamik in der kompositorisch klar strukturierten Darstellung.
Leihgeber:Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
Zwar ist die Darstellung „Zur Erntezeit“ unten rechts im Bildfeld signiert mit „O. Jernberg“, dabei handelt es sich jedoch um die Wiedergabe der Signatur auf der Gemäldevorlage. Vorbild war Jernbergs Werk mit gleichnamigem Titel von 1892, das im darauffolgenden Jahr von der Berliner Nationalgalerie erworben wurde. 1920 ging es als Dauerleihgabe an den Oberpräsidenten der Provinz Hannover, wo es 1943 vermutlich verbrannte (http://www.lostart.de/DE/Verlust/257122).
Der Urheber der Radierung ist der deutsch-jüdische Künstler Hermann Struck (1876–1944), der in Berlin lebte und vor allem für seine Radier- und Lithografie-Kunst geschätzt wurde. Die Radierung nach dem Gemälde Jernbergs entstand 1901 für die „Zeitschrift für Bildende Kunst“.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Die Radierung zeigt einen Schäfer, der seine dicht gedrängt stehenden Herde im Mondschein in eine alte Scheune treibt. Die geschlossene Kontur des Schäfers, die alte Bauernkate und die kargen Bäume tragen motivisch zur gedrückten, atmosphärischen Wirkung der Darstellung bei.
Das Blatt ist eine handsignierte Doublette des Motivs aus der zweiten Grafikmappe des Künstlerclubs Sankt Lucas. Die Frage, ob es sich bei der Arbeit um ein Einzelblatt handelt, oder ob sie ursprünglich zu einer Mappe gehörte, die zu einem unbekannten Zeitpunkt auseinander genommen wurde, ist nach heutigem Wissensstand nicht zu klären.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Die reiche Abstufung der Tonwerte und das bewegte Spiel der Schraffuren, die die Natur formen und den Schein des Laternenlichtes strahlenförmig verbreiten, machen den besonderen Reiz des Blattes aus.
Möglicherweise handelt es sich um dasselbe Motiv, das 1901 in der Düsseldorfer Kunsthandlung Bismeyer & Kraus unter dem Titel „Abend im Dorfe“ ausgestellt wurde. Die Beschriftung „O. JERNBERG FECIT“ besagt, dass Jernberg die Druckvorlage für den Drucker L. Angerer in Berlin geschaffen hat. Ob Jernberg selbst die Druckplatte bearbeitet oder eine Zeichnung auf Umdruckpapier erstellt hat, die dann in Berlin auf die Platte übertragen wurde, lässt sich heute schwerlich sagen.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Liesegangs Radierung mit dem Titel „Cleve“ bildet den Abschluss der vier Mappen mit Originalradierungen des Künstler-Clubs Sankt Lucas. Dargestellt ist das an der Grenze zu Holland gelegene Kleve mit der mittelalterlichen Schwanenburg an der höchsten Stelle der Stadt. Im Hintergrund ragen die Zwillingstürme der gotischen Stiftskirche auf. Vorne sind Segelboote auf dem Spoykanal zu sehen, der Kleve über einen Altrheinarm mit dem Hauptrhein verbindet. Dass dem Künstler vor allem die Wiedergabe der Atmosphäre wichtig gewesen ist, wurde schon von den Zeitgenossen erkannt. So lobte die Zeitschrift „Kunst für Alle“ 1901: „Weich und stimmungsvoll ist Liesegangs ›Cleve‹.“
Leihgeber:Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
Gegen 1900 beschäftigte sich Arthur Kampf in seinen grafischen Werken vermehrt mit Themen aus dem Arbeitermilieu. Seine Radierung für die vierte Mappe des Sankt Lucas-Clubs zeigt einen gebrechlich wirkenden älteren Mann, der auf einen Stock gestützt mit kleinen Schritten durch eine Häusergasse geht. Vorsichtig wird er von einer Frau gestützt, besorgt blickt sie ihn an. Die beiden haben gerade eine Gruppe von drei Nachbarinnen passiert, die sich tuschelnd über den Zustand des Rekonvaleszenten austauschen. Offensichtlich sind die Damen bemüht, sich ihre Neugier nicht anmerken zu lassen.
Leihgeber:Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
1924 schuf Arthur Kampf für den Wegweiser-Verlag der Berliner Buchgemeinschaft „Volksverband der Bücherfreunde“ 20 Kaltnadelradierungen zu Shakespeares Werken, die in einer repräsentativen Flügelmappe im Folioformat angeboten wurden. Die Grafikfolge war nicht im Buchhandel zu erwerben, sondern lediglich für die Mitglieder der Buchgemeinschaft bestimmt.
Die Darstellungen zeigen allgemein bekannte Schlüsselszenen aus Shakespeares Dramen, bei denen der faktische Handlungsverlauf im Vordergrund steht, so z. B. im „Hamlet“ die Totengräberszene oder die Ermordung der Titelfigur im „Julius Caesar“.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung