Szenen aus der Literatur und dem alltäglichen Leben
Die Künstler in der Frühzeit der Düsseldorfer Malerschule setzten sich intensiv mit der zeitgenössischen Literatur auseinander. An regelmäßig stattfindenden Literaturabenden wurden die Romane und Novellen von Romantikern wie Eichendorff und Brentano, Tieck und Uhland gelesen, und auch die Werke von Goethe und Schiller wurden studiert. Für druckgrafische Künstler wie z. B. Caspar Scheuren und Johann Baptist Sonderland waren Buchillustrationen ein besonderes Arbeitsfeld.
Einerseits ließen sich die Figurenmaler und Grafiker der Zeit durch die Literatur inspirieren, andererseits machten sie aber auch das alltägliche Leben der Menschen zum Thema ihrer Bilder. Moral und Unterhaltung, Belehrung durch Komik, Humor und Rührung in Sitten und Gebräuchen bestimmten die Motivwelt. Obwohl an der Kunstakademie eine Professur für die Genremalerei erst 1874 eingerichtet wurde, war sie bereits seit den 1830er-Jahren beim bürgerlichen Publikum sehr beliebt.
Bei den drei Radierungen von J. B. Sonderland handelt es sich um Illustrationen in dem Buch „Bilder und Randzeichnungen zu deutschen Dichtungen erfunden und radirt von J. B. Sonderland, Düsseldorf 1838-44. „Der Schatzgräber“ ist eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1797 in fünf Strophen. Es gibt, so postuliert der Text, wichtigere Schätze als das Geld: etwa die Arbeit und den Kontakt mit Freunden. Die Ballade endet mit folgenden Worten:
Trinke Muth des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens.
Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Sonderland illustriert in dem Blatt das Gedicht „Der Rattenfänger“, das Johann Wolfgang von Goethe 1804 schrieb. Die ersten Verse lauten:
Ich bin der wohlbekannte Sänger,
Der viel gereiste Rattenfänger,
Den diese altberühmte Stadt
Gewiß besonders nöthig hat.
Und wären’s Ratten noch so viele,
Und wären Wieseln mit im Spiele;
Von allen säubr’ ich diesen Ort,
Sie müssen mit einander fort.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Das Blatt zeigt eine Vielzahl kleiner männlicher und weiblicher Zwerge bei Musizieren, Tanzen und
Feiern. In der mittleren Hauptszene liegt der junge Graf auf einer Steinbank. Vor ihm steht ein Zwerg mit einer Laterne. Die ersten Zeilen von Goethes Hochzeitslied-Ballade lauten:
Wir singen und sagen vom Grafen so gern,
Der hier in dem Schlosse gehauset,
Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,
Den heute vermählten, beschmauset.
Nun hatte sich jener im heiligen Krieg
Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg.
Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,
Da fand er sein Schlösselein oben,
Doch Diener und Habe zerstoben.
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Themen wie "Freundschaft", "Liebe" und "Brautwerbung" gehörten zum Grundschatz der Genremalerei in der Zeit der Romantik. Davon kündet auch die hier dargestellte Szene an einem lauschigen Platz unter Bäumen: Zwei biedermeierlich gekleidete, junge Leute sind sich im harmlosen Gespräch einander zugeneigt. Ein Weg führt rechts an den Felsbrocken vorbei zu einem Brunnen. Hier steht ein weiterer jungen Mann, der den Blick auf das Paar gerichtet aus dem Hintergrund lauscht.
Die Szene ist vom Geist der romantischen Freundschaftsdarstellung erfüllt, zu der sich passend das Szenarium der Natur gesellt.
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Die Erzählfreudigkeit, die sorgfältige Ausführung und die atmosphärische Ausleuchtung der Szene sind charakteristisch für das Werk Christian Boettchers. Im Zentrum des Bildes ist eine junge Frau mit Strickzeug dargestellt, die im warmen Licht des späten Nachmittags vor ihrer Haustür aufmerksam und liebevoll neben dem schlafenden Kind in der Wiege wacht.
Diese kleinen Begebenheiten des Alltags, in bescheidenem Format ausgeführt, waren beim Publikum sehr beliebt und fanden zunächst leicht ihre Käufer. Allerdings waren die Thematik und ihre Behandlung schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr aktuell, und so fanden Boettchers späte Bilder, die demselben biedermeierlich-romantischen Sujet verpflichtet blieben, kaum noch Anklang.
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Erntebilder waren in der deutschen und französischen Malerei des 19. Jahrhunderts – von Jacob Becker aus der Düsseldorfer Malerschule bis zu François Millet und den Malern von Barbizon – ein beliebtes Themen aus Arbeit und Alltag. Die heiter-unbefangene Darstellung des Landlebens in dem „Erntefest“ aus dem Jahr 1883 ist typisch für Christian Eduard Boettcher. Mit großem Geschick und voller Erzählfreudigkeit arrangierte der Künstler den vielfigurigen Erntezug. Alles scheint an diesem freudigen Tag auf den Beinen zu sein.
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