Viehmärkte und Sorge um das Tierwohl – 2
Das späte 19. Jahrhundert war die Zeit der Industrialisierung und gravierender gesellschaftlicher Veränderungen. Auch das Verhältnis der städtischen Bevölkerung zu den Nutztieren änderte sich grundlegend. Kühe, Schweine, Esel und Hühner wurden im privaten Bereich immer seltener gehalten, denn für die Versorgung mit Fleisch wurden in den neu entstandenen Ballungsgebieten moderne Schlachthöfe eingerichtet. Die industrialisierte Fleischproduktion entfernte den Verbraucher immer weiter vom Tier. Auffallend ist, dass gerade in der Phase des Umbruchs zahlreiche Bilder von Nutztieren in ländlicher Umgebung entstanden und auch das Tierwohl zum Thema in der Malerei wurde, wie die „Die kranke Kuh“ von Georg Bergmann eindrucksvoll belegt.
Auch Darstellungen von idyllischen Viehmärkten – im Sommer wie im Winter – waren für das städtische Publikum Bilder aus einer fernen Welt. Beispielhaft hierfür sind in der Ausstellung Gemälde von Peter Bücken und Johann Arthur Nikutowski zu sehen.
Bücken malte das figurenreiche Bild 1874 in München. Der Viehmarkt findet bei bestem Sommerwetter außerhalb eines kleinen Ortes vor der Kulisse des sanft ansteigenden Voralpenlandes statt. Individuell dargestellte Rinder, Schafe und Ziegen werden feilgeboten. Männer, Frauen und Kinder unterschiedlichen Alters und Standes beleben die sommerlich-idyllische Szene.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Auf dem winterlichen Viehmarkt herrscht geschäftiges Treiben, dicht gedrängt stehende Pferde und Rinder werden zum Kauf angeboten. Am gut besuchten Marktstand vorne links im Bild lockt ein Schild mit der Aufschrift „Nur heute noch halb umsonst“ die Kundschaft herbei. Kühn schneidet Nikutowski die Figuren am unteren linken Bildrand an. So wird das Ausschnitthafte der Szene betont und der Blick des Betrachters unmittelbar in den Bildraum gezogen.
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung
Das außergewöhnliche Bild mit einer kranken, auf Stroh gebetteten Kuh entstand Mitte des 19. Jahrhunderts. Höchst besorgt hat sich die Familie des Bauern mit Nachbarn und Freunden um das Tier versammelt. Offensichtlich stellt die Kuh die Existenzgrundlage der Familie dar. Im Typus einer altmeisterlich ausgeführten Anbetungsszene wird hier eine Episode aus dem Leben der Landbevölkerung gezeigt – eine kühne Idee dieses heute nahezu vergessenen Hildesheimer Künstlers!
Eigentümer:Dr. Axe-Stiftung